P R O J E K T E
   
  Benefizlauf von Horst Zitzer
 

Wanderer in europäischen Welten

17. Juni 2009 | Autor: Herbert A. Eberth in www.a-pro-pos.net

       
 

Montabaur. Im Foyer der Jugendherberge in Montabaur treffe ich an einem kühlen, aber sonnigen Morgen einen drahtigen Senioren mit kurzem, weißen Haar und freundlichen, wachen Augen. Wir sind zum Frühstück verabredet, bedienen uns am Buffet und setzen uns im Frühstücksraum an einen großen Tisch, reden erst einmal ein bisschen über's Wetter. Für das, was Horst Zitzer im Augenblick macht, ist das Wetter geradezu ideal: Der 69-Jährige wandert, und zwar schon seit Wochen. Gestartet ist er in Flensburg, sein Ziel ist Rom - nicht gerade um die Ecke.

Horst Zitzer stammt aus Mannheim, wohnt in Altrip im Rhein-Pfalz-Kreis. Gearbeitet hat er als Florist, war Floristikmeister und unterrichtete sein Berufsfach 30 Jahre lang bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 an der Berufsschule in Ludwigshafen. Seine "richtige" Wanderleidenschaft begann 2005: Von Speyer aus begab er sich auf den Jakobsweg, jenen berühmte Weg zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela, den seit den 1970er Jahren immer mehr Menschen pilgern, im Jahr 2008 waren es mehr als 125.000. "Es war damals ein spontaner Entschluss diesen Weg zu gehen", schreibt Horst Zitzer auf seiner Internetseite (www.horstzitzer.de), "und ich frage mich bis heute, wie ich dazu kam. Ich glaube an Gott, trotzdem war ich nicht besonders religiös. Immer wieder auf der Strecke im Rheintal nach Basel, häufig im strömenden Regen, sagte ich mir: Ganz, ganz weit im Westen, unvorstellbare 2400 Kilometer entfernt, dort ist dein Ziel."

 

Auf seinem Weg von Flensburg nach Rom durchquert Horst Zitzer herrliche Landstriche.

Von April bis August 2005 war Zitzer unterwegs, auf einer Strecke, so sagt er, "die mit ihren vielen spirituellen Plätzen und Bauten eine ganz eigene Atmosphäre hat". Für den an Kulturgeschichte und Architektur interessierten Pfälzer war es "das zentrale Erlebnis meines Lebens und bin meinem Schöpfer unendlich dankbar für diese Eingebung".

Zwei Jahre später stößt Horst Zitzer in einer Fernsehsendung auf einen Gleichgesinnten: Es ist der Gärtnermeister Kurt Peipe, ein krebskranker Mann, dem die Ärzte nicht mehr lange zu leben gaben. Peipe machte sich nach einer Operation im Jahr 2007 auf und wanderte entlang des Europäische Fernwanderwegs E1 - auch bekannt als "Franziskusweg" - in 167 Tagen über 3350 Kilometer von Flensburg bis nach Rom. Sein Buch "Dem Leben auf den Fersen" hat den damals 62-Jährigen bekannt gemacht. Im Jahr 2008 stirbt Peipe an seiner Krankheit.

Für Horst Zitzer war Peipes Buch Anreiz, sich ebenfalls auf diese Strecke quer durch Europa zu begeben. Seit dem 1. April wandert er mit zwölf Kilo Gepäck, darunter neben Mini-Zelt und Kocher auch ein kleines Notebook, von Ort zu Ort, übernachtet in Gaststätten und Jugendherbergen. Viel vorbereitet hat er nicht - "Ich bin nicht besonders gut im Vorbereiten", meint er und sucht beispielsweise seine Unterkünfte ganz spontan. Ein Bekannter hat ihm für sein Notebook einen mobilen Internetzugang eingerichtet. Mit dessen Hilfe hält er fast täglich die Eindrücke von der Wanderung auf seiner Internetseite fest.

 

Von seinem Pilgerzug auf dem Jakobsweg hat er noch eine weitere Anregung mitgenommen: Dort begegnete er einer Holländerin, die aus ihrer Wanderung eine Spendenaktion machte. "Die Idee gefiel mir, und so habe ich vor dem Start 350 Bekannte angeschrieben und auf die Möglichkeit hingewiesen, für jeden Kilometer einen bestimmten Betrag zu spenden, welcher der Aktion " Kinder von Shitkowitschi - Leben nach Tschernobyl" zugute kommen soll." Dabei handelt es sich um einen 1992 gegründeten Tschernobyl-Hilfsverein mit Hauptsitz in Böhl-Iggelheim/Pfalz mit etwa 400 Mitgliedern. Zweck des Vereins ist es, den Kindern aus der weißrussischen Region um die Stadt Shitkowitschi nahe der Todeszone um den explodierten Atomreaktor von Tschernobyl zu helfen. Horst Zitzer selbst engagiert sich schon viele Jahre für den Verein, und so findet sich auf seiner Internetseite auch eine ausdruckbare Spendenkarte.

 

Als "Juwel" bezeichnet der Franziskusweg-Pilgerer die Montabaurer Innenstadt.

Bei aller Anstrengung, die der lange Pilgerweg mit sich bringt, ist der 69-Jährige "begeistert von den großartigen, schönen Orten, durch die ich komme". Das gilt auch für Montabaur, von dessen alter Bausubstanz er geradezu schwärmt. "Wir können Deutschland gleichwertig neben die großen Kulturstätten Europas stellen", fasst er seine Eindrücke zusammen. Viele Motive hat er mit seiner - inzwischen etwas arg mitgenommenen, aber nach wie vor zuverlässigen - Digitalkamera festgehalten. Sie finden sich ebenfalls auf seiner Internetseite.

Am Tag unseres Treffens führt die nächste Etappe von Montabaur nach Nassau. Da ihn unser Gespräch jedoch eingeplante Zeit gekostet hat, lässt sich Zitzer auf einen Kompromiss ein: Ich nehme ihn auf halber Strecke mit bis nach Welschneudorf. Dort verabschiede ich mich von meinem so überaus interessanten Gesprächspartner, der festen Schrittes seines Weges geht und - nach rund 1100 Kilometern noch mehr als die Hälfte davon vor sich hat: "Alles Gute!"

       
       
      Aktualisiert am: 30.07.2010